Psychologie Heute: DDR-Kita: Mehr Gewalt und psychische Probleme?
In der ehemaligen DDR wurden mehr Kinder in Krippen betreut. Waren sie dadurch mehr Gewalt ausgesetzt? Was eine Studie dazu herausfand
Die Wochenkrippen waren gesellschaftlich akzeptierte Kindesmisshandlung. Aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ist klar, dass Wochenkrippen kein angemessener Ort zum Aufwachsen kleiner Kinder sind. In den ersten drei Lebensjahren haben Kinder nur eine begrenzte Kapazität, die Erinnerung an eine geliebte Beziehungsperson über eine längere zeitliche Trennung hinweg aufrechtzuerhalten. Das bedeutet, aus der Sicht der Kinder waren die Trennungen von ihren Eltern total, nach einer gewissen Zeit ohne Hoffnung auf Wiederkehr.
Die frühen Bindungsbeziehungen prägen unser Verhalten und Erleben ein Leben lang. Wiederholte und langanhaltende Beziehungsabbrüche in der frühen Kindheit können zu einem unsicheren inneren Bindungsmodell im Erwachsenenalter führen, etwa durch eine ausgeprägte Angst vor Trennung oder der Furcht vor Nähe und Intimität. Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekt zu den ehemaligen Wochenkrippenkindern zeigen dies eindrücklich. Gleichzeitig bleibt das innere Bindungsmodell ein Leben lang durch korrigierende Beziehungserfahrungen veränderbar– sei es in Freundschaften, Partnerschaft oder in einer gelingenden Therapie.
Gerade für die frühe Entwicklung im ersten Lebensjahr ist der Körperkontakt existenziell wichtig, um eine sichere Bindung aufzubauen. Das gleiche betrifft die kontinuierliche emotionale Nähe. Die resultierenden Mangelzustände sind in der Wochenkrippe besonders heftig. Durch die Krippenzeit sind sehr wahrscheinlich seelischen Narben entstanden, die weiter zu erforschen sind. Die frühe Mangelerfahrung zu spüren und in der therapeutischen Beziehung zu betrauern, ist ein anzustrebendes Ziel.
Auch wenn die Unterbringung in einer Wochenkrippe oder einem Wochenheim nach derzeitiger Rechtslage grundsätzlich nicht als rehabilitierungs- und entschädigungsfähiges Unrecht gilt, verdienen die Betroffenen, die heute als Erwachsene unter den psychischen Folgen der damaligen Wochenheimunterbringung leiden, mehr Wahrnehmung für ihre Anliegen in unserer Gesellschaft. Die SED-Opferbeauftragte hat dem Verein Wochenkinder e.V. hierbei ihre Unterstützung zugesagt.
Im Rahmen einer Masterarbeit möchte Hanna Strich von der Uni Jena eine Befragung mit Personen durchführen, die in der DDR in Wochenkrippen untergebracht waren. Es soll darum gehen, inwiefern sich frühe Bindungserfahrungen auf die langfristige Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Dazu benötigt sie etwa zehn Interviewpartner:innen, die in 30-40 Minuten zu ihren persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen befragt werden. Träger der Forschung ist das Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Proband:innen willigen vorab in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten ein und haben somit das Recht, diese auch im Nachhinein zu widerrufen. Die Befragung wird mit Hilfe eines Tonaufnahmegeräts aufgezeichnet und anschließend in anonymisierter Form transkribiert.
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Alles neu macht der – April, oder so ähnlich: Die Website der Wochenkinder ist komplett überarbeitet und erstrahlt ab sofort in neuem Glanz! Sie bietet nun mehr Informationen und Funktionen. So gibt es Fragen und Antworten zur Wochenkrippe und Wochenheimen, sind alle neuen Termine zum Thema aufgelistet, kann man die Kontakte und Ansprechpartner der Selbsthilfegruppen leicht finden. Auch der neugegründete Verein Wochenkinder e.V. stellt sich vor, es gibt eine interaktive Karte zu den Standorten der ehemaligen Wochenkrippen und ein umfangreiches Archiv von Forschungsergebnissen, Zeitungsartikeln, Filmen, Büchern und Podcasts. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns. Über Lob natürlich auch.
Anmeldung über dresden@wochenkinder.de
Ort: Rathaus
Teilnahme nur nach Anmeldung unter meckpomm@wochenkinder.de möglich.
Treffpunkt: Hybrid (in Präsenz und online). Der Ort den bestätigten Teilnehmer*innen per Mail bekanntgegeben
Eintritt: frei
Teilnahme nur nach Anmeldung unter nrw@wochenkinder.de möglich.
leipzig@wochenkinder.de
Teilnahme nur nach Anmeldung
Anmeldung über dresden@wochenkinder.de
Anmeldung über berlin@wochenkinder.de
Selbsthilfekontaktstelle Charlottenburg-Wilmersdorf
Bismarckstr. 101
10625 Berlin
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Kathi fängt neu an. Ihre Tochter Lilly ist fast aus dem Haus und ihr Mann ausgezogen. Als Fußpflegerin in einem kleinen Salon begegnet sie jeden Tag den Bewohnern Marzahns, "Die manchmal tagelang mit niemandem reden, die uns, wenn sie ins Studio kommen, ihre hungrigen Herzen ausschütten. Jede Berührung dankbar aufsaugen und glücklich sind an diesem Ort, an dem sie nicht wie die Vollidioten der Nation behandelt werden".
Diese Bachelorarbeit befasst sich mit den Wochenkrippen der DDR. Diese Betreuungseinrichtungen nahmen Kinder im Alter von sechs Wochen bis drei Jahren auf. Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, ob diese Form der Fremdbetreuung Auswirkungen auf den schulischen und beruflichen Werdegang im Vergleich zu anderen Unterbringungsarten hat. Sie soll einen Einblick in die frühkindliche Fremdbetreuung und deren Konsequenzen liefern. Insbesondere das Thema der Fremdbetreuung von Kindern unter drei Jahren ist relevant und gewinnt an Bedeutung.
Aufgewachsen in der DDR Wochenkrippe: Lykke Langer hat sich in ihrem Stück "Winterkind" damit auseinander gesetzt, Amina Gusner in ihrem Hörpsiel "Die Kinder schlafen". Im Gespräch mit MDR KULTUR erzählen sie davon.
Wochenkrippe
Goldberger Straße 9
18273 Güstrow
mind. seit 1971
Mütter- und Säuglingsheim "Professor Dr. Karl Stolte"
Betroffenes Kind
Wochenkrippe
Otto-Nuschke-Straße 10
01968 Senftenberg
Erzieherin
Wochenkrippe
Großenhainer Straße 9
01968 Senftenberg
betroffenes Kind
Gebäude wurde abgerissen